Kohnsen
Portrait
Weit auseinandergezogen, in eine flache Mulde eingebettet, die sich zwischen dem Steinbühl, einem letzten Ausläufer des Elfas, und dem Klapperberg ausbreitet, liegt das Dörfchen Kohnsen. Deutlich erkennbar ist seine Dreiteilung. Das Unterdorf ist der größte Ortsteil und gruppiert sich um die Kirche. Dort stehen die ältesten Häuser. Nach Westen zu liegt der Kattensiek. Im Norden ist durch Parzellierung einer Hofstelle in den Jahren 1905 - 08 ein dritter Dorfteil, die »Neue Reihe«, entstanden.
Die Kirche trägt den Namen St. Johannis. Sie ist wahrscheinlich von dem Herrn von Konstein für seine Hörigen erbaut worden und galt als Filial des Stiftes St. Alexander in Einbeck. Gegen Überlassung einiger Hufen Ackers verpflichtete sich das Stift, einen Mönch zur Abhaltung der Gottesdienste zu entsenden. Später fielen noch weitere Ländereien der Kohnser Kirche an das Stift Mariae Virginis in Einbeck und an das Kloster Fredelsloh.
Etwa im Jahre 1568 wurde Kohnsen mit Hullersen zu einer Kirchengemeinde vereinigt. Zu dieser gehörte außerdem der althannoversche Teil von Holtensen. Das Mauerwerk der Kirche und des Turmes sind aus Bruchsteinen ausgeführt. Das Dach und die Turmspitze waren mit Sandsteinplatten aus dem Solling gedeckt. Nach 1865 mußten am Turm zwei Streben angebracht werden, da das Fundament der Belastung nicht gewachsen war. Am 25. Oktober 1917 schlug während eines heftigen Gewitters der Blitz in den Kirchturm, warf die Wetterfahne und den Knauf herab, riß ein großes Loch in den Turm und zertrümmerte das Kirchendach. Uhr und Orgel blieben zum Glück unbeschädigt. Erst im April 1918 wurde die Turmspitze erneuert.
Leider wurde sie mit Schiefer behängt. Oben im Kirchturm steht ein aus starken Eichenbalken gebauter Glockenstuhl. Darin hängen 2 alte Glocken. Die eine zeigt am Mantel eine Reihe kleiner Reliefs, ein Kruzifix, den Ritter St. Georg, ein Pflugeisen und 3 Bischöfe. Sie trägt in gotischer Schrift folgende Worte: »ek rope den levendighen unde bewene de doden unde verdrive den donre«. Die Inschrift der zweiten Glocke lautet: »anno dm. m. vivii ihes maria hans arneman me fecit 1503«.
Der Kirche vorgelagert ist das alte Schulhaus. Ein Türbalken trägt die Jahreszahl 1707. Die Zahl der in Kohnsen beschäftigten Lehrer läßt sich nicht sehr weit zurückverfolgen. Petersen und Grupe, der im Jahre 1849 starb, sind die ersten, deren Tätigkeit nachzuweisen ist. Im Jahre 1911 wurde das neue Schulhaus am Ostrand des Dorfes errichtet.
Das Dorf Kohnsen war noch vor dem 2. Weltkrieg ein reines Bauerndorf. Es hatte in jener Zeit bei 52 Haushaltungen rund 250 Einwohnern. In den Kriegsjahren verdoppelte sich die Zahl. Durch Abwanderung in die Städte sank die Einwohnerzahl bis zum Jahre 1952 bis auf 441. Davon waren 288 Einheimische und 153 Zugewanderte.
Die Größe der Feldmark beträgt 425 ha. Der Boden ist durchweg fruchtbarer Lehm und bringt besonders in Sonnenjahren gute Erträge. Das Dorf hat 29 Hofstellen, von denen die meisten allerdings nur durch Hinzunahme von Pachtland existenzfähig sind.
Auf ihren Äckern arbeiten die Bauern mit ausdauerndem Fleiß von früh bis spät. Dazu gesellt sich eine große Sparsamkeit, und mancher hat es dadurch weit gebracht. So sind die Besitzer der Hofstellen auf der obengenannten „Neuen Reihe“ in der vorigen Generation schlichte Landarbeiter gewesen, die z. T., als sie von anderen Dörfern zuwanderten, ihre Habseligkeiten in einem bunten Knotentuch trugen. Wenn man noch bedenkt, daß die Arbeitslöhne damals 1 Mark pro Tag nicht überstiegen, und daß die Familien oft kinderreich waren, so kann man ermessen, wieviel Fleiß und Entbehrung nötig waren, um diese sauberen Häuser mit den geräumigen Stallungen und dem reichen lebenden und toten Inventar, die gut angebauten Gärten und das Eigenland hinter der Hofstelle zu schaffen.
So ist eigentlich kein Wunder, daß die Bauernhäuser, selbst die alten, keinen Balkenschmuck aufweisen. Alte Hausinschriften sucht man vergebens. In Kohnsen war kein Sinn dafür vorhanden. Ein einziger Balken mit einer Inschrift wurde von dem Schreiber dieses Aufsatzes bei einem Bauern im Holzschuppen entdeckt. Der eingeschnittene Spruch lautet: »Mit Gott in einen Riedensach den Anfang und das Ende mag mit Gott gereht der Anfang wohl fürs Ende man Gott danken soll«. Statt aber diesen Balken bei einem Umbau des Hauses zu verwenden, wie dem Bauern geraten wurde, ist er zu Brennholz zerkleinert worden.
G. Bünger